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Online-Betrüger kassieren für Schein-Wohnungen

Alles nur Schein: Wohnungsportale verzeichnen jede Woche um die tausend betrügerische Anzeigen. Deshalb durchforsten die Anbieter ihre Portale systematisch nach Fake-Offerten Alles nur Schein: Wohnungsportale verzeichnen jede Woche um die tausend betrügerische Anzeigen. Deshalb durchforsten die Anbieter ihre Portale systematisch nach Fake-Offerten
Alles nur Schein: Wohnungsportale verzeichnen jede Woche um die tausend betrügerische Anzeigen. Deshalb durchforsten die Anbieter ihre Portale systematisch nach Fake-Offerten
Quelle: getty
Auf Immobilienportalen bewerben gerissene Gauner billige Traumwohnungen, die es gar nicht gibt. Viele beißen an und überweisen die Kaution – das Geld ist weg. Dabei gibt es ein ultimatives Warnsignal.

Francesca Gavazzi dürfte ordentlich profitiert haben vom Wohnungsboom in deutschen Metropolen. Die Ärztin aus Mailand hat zwar nur eine Zweizimmerwohnung mit 48 Quadratmetern in der Kölner Innenstadt. Doch die dürfte schon einiges abgeworfen haben.

Wie viel das bisher war, weiß nur Francesca Gavazzi. Fragen kann man sie leider nicht: Die angebliche italienische Ärztin ist ein Phantom. Und auch die von ihr in den gängigen Internetportalen inserierte Wohnung gibt es nicht.

Wer auf die Annonce der Online-Betrügerin antwortet, erhält einen Tag später eine E-Mail auf Englisch: Sie spreche leider kein Deutsch, entschuldigt sich die vermeintliche Wohnungsbesitzerin und erklärt, das Apartment sei komplett möbliert und koste warm inklusive aller Nebenkosten sowie Strom und Wasser wirklich nur jene läppischen 300 Euro Miete im Monat, von denen in der Anzeige die Rede war.

Francesca Gavazzi ist eine von vielen, die sich derzeit auf der Suche nach leichtgläubigen Opfern auf Immobilienportalen wie Immobilienscout24, Immonet und Immowelt herumtreiben. Dort bieten sie unschlagbar günstige Wohnungen in den begehrten Lagen deutscher Großstädte an.

Metropolen sind die Schwerpunkte

München, Hamburg, Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und eben Köln zählen zu den Schwerpunkten der Betrüger – hier lässt sich ein besonders guter Schnitt machen. Dabei gibt es ein ultimatives Warnsignal.

„Letztlich läuft es immer auf Vorkasse hinaus, und dann müssen alle Alarmglocken schrillen“, sagt Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Auch wenn das Angebot noch so verlockend ist.“

Wer Francesca Gavazzi um einen Besichtigungstermin bittet, erlebt genau das, was die Verbraucherschützerin vorhergesagt hat: Sie sei ja mittlerweile wieder in Italien, schreibt Gavazzi, als Chirurgin schwer beschäftigt und deshalb nicht in der Lage, für einen Besichtigungstermin nach Köln zu kommen. Aber sie habe den Schlüssel bei einem Vertreter der internationalen Zimmervermittlungsagentur Airbnb hinterlegt.

Gegen eine Vorabkaution von zwei Monatsmieten, zu zahlen über den Geldtransferdienst Western Union, werde dieser Vertreter den Schlüssel und einen Mietvertragsentwurf zuschicken. Man habe dann drei Tage Zeit, die Wohnung zu besichtigen. Gefalle sie nicht, könne man den Schlüssel einfach zurückschicken und bekomme seine Kaution wieder, verspricht Gavazzi.

Flut an betrügerischen Anzeigen

Wer zahlt, ist sein Geld allerdings garantiert los und wird nie einen Wohnungsschlüssel zu Gesicht bekommen. Denn Airbnb hat gar keinen Schlüssel, der vermeintliche Vertreter hat mit dem Unternehmen nichts zu tun. Auf Anfrage erklärt der Zimmervermittlungsdienst, man würde niemals Nutzer dazu auffordern, Geld per Western Union zu transferieren.

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Western Union nimmt laut eigenen Angaben „die Tatsache, dass aus kriminellen Handlungen stammende Gelder über unser Netzwerk transferiert werden, sehr ernst“. Man betreibe großen Aufwand, um diesem Missbrauch entgegenzuwirken.

Die Wohnungsportale stehen der Flut an betrügerischen Anzeigen ziemlich machtlos gegenüber. Um die tausend sind es derzeit jede Woche. Marktführer Immobilienscout24 beschäftigt laut eigenen Angaben Dutzende Mitarbeiter, die das Portal nach Betrugsversuchen durchforsten.

So werden die meisten der Fake-Anzeigen auch erkannt, gelöscht, und die zugehörigen Accounts gesperrt – allerdings erst, nachdem die Annoncen schon veröffentlicht waren. Und bis dahin hat schon der eine oder andere Interessent eine Mail an den vermeintlichen Vermieter geschrieben.

„Niemals in Vorkasse gehen“

Beim Portal Immonet, das wie welt.de zum Medienhaus Axel Springer gehört, erhalten Interessenten, die auf das Angebot reagiert haben, eine Warnmail.

„Wir haben Hinweise darauf, dass es sich bei dieser Immobilie um ein unseriöses Angebot handeln könnte, und das Angebot sicherheitshalber von unserer Webseite entfernt. Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen – wir empfehlen Ihnen daher, sofort den Kontakt zum Anbieter genannter Immobilie abzubrechen und generell niemals in Vorkasse zu gehen“, schreibt der Kundendienst des Anbieters.

Auch Immobilienscout24 weist in seinen Sicherheitshinweisen darauf hin, dass „seriöse Anbieter vor der Besichtigung einer Immobilie grundsätzlich nicht auf die Zahlung von Geld bestehen werden“. Sobald man in der Antwort auf eine Anfrage um eine Vorkassenzahlung gebeten werde, sei dies ein eindeutiges Zeichen für einen Betrugsversuch.

Hilfe bekommen Portale wie auch Wohnungssuchende vom Betreiber des Blogs Wohnungsbetrug.blogspot.de: „Wir suchen seit einigen Jahren Betrugsangebote auf bekannten Immobilien-Portalen und veröffentlichen sie“, erklärt der Blogger. Die Betrugsangebote seien mittlerweile schwer zu erkennen: Die Betrüger würden Makleraccounts hacken, Fake-Accounts erstellen und seriöse Inserate kopieren.

Im Internet wird schon ein Kopfgeld geboten

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„Wichtig ist, niemals Vorkasse zu leisten und niemals persönliche Dokumente und Daten an Unbekannte zu versenden“, rät der Blog-Betreiber, der in den vergangenen Jahren mehr als 6000 betrügerische Anzeigen aufgespürt hat.

Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen – aus durchaus verständlichen Gründen: „Wir haben keine Lust auf ein Kaffeekränzchen mit den Betrügern bei uns zu Hause.“ In Internetforen wurde bereits ein Kopfgeld von 1000 Euro für seinen Namen geboten.

Der Polizei ist die Betrugsmasche mit den gefälschten Wohnungsanzeigen bekannt – etwas dagegen ausrichten können die Ermittler allerdings kaum. Denn die anonymen Täter bleiben im Ausland fast immer unerreichbar. Gefasst werden konnte bislang niemand, nicht einmal die genaue Zahl der Opfer ist bekannt.

Klar ist nur: Es sind längst nicht nur Immobilienportale betroffen. Die Betrugsmethode komme in ähnlicher Form beispielsweise auch auf Online-Partnerbörsen und Gebrauchtwagenportalen zum Einsatz.

Beweise für den Betrug sichern

„Grundsätzlich sollte man Personen, die man nicht auch aus dem realen Leben kennt, kein Geld überweisen oder auf sonstige finanzielle Forderungen eingehen“, rät Gerhard Klotter, Vorsitzender der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes.

„Wir empfehlen auch, sofort den Kontakt abzubrechen und alle möglichen Beweise für einen Betrug wie E-Mails zu sichern. Wenn der Verdacht auf eine Straftat im Raum steht, ist der Gang zur Polizei unverzichtbar.“

Das Ende der Geschichte über das vermeintliche Kölner Wohnungsschnäppchen ist schnell erzählt. Wenn man Francesca Gavazzi mitteilt, man wolle kein Geld per Western Union schicken, und stattdessen um eine Bankverbindung bittet, wird sie recht schnell pampig.

„Ich habe Ihnen doch gesagt, wie es funktioniert“, schreibt Gavazzi. Und als drei Tage später immer noch kein Geld transferiert ist, schimpft die angebliche Ärztin: „Du bist ein Lügner. Ich vertraue dir nicht.“ Das immerhin beruht auf Gegenseitigkeit.

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