Peinlich-Angriff auf Pressefreiheit: Kanzler Kurz rüffelt Bösi -Minister

Innenministerium erlässt „Zuckerl-Verbot“ für kritische Journalisten und erwartet von Polizei-Pressestellen mehr Berichte über Sexualstraftaten außerhalb der Familie

Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ steht wegen abstruser Rundschreiben seines Sprechers Christoph Pölzl unter Druck

Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der rechtspopulistischen FPÖ steht wegen abstruser Rundschreiben seines Sprechers Christoph Pölzl unter Druck

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Wie „deppert“ (Österreichisch für: einfältig) kann man sein?

Kopfschütteln in Österreich über den Sprecher des Innenministeriums, der in einer öffentlich gewordenen Rundmail an die die wichtigsten Pressesprecher der Polizei eine Zweite-Klasse-Behandlung kritischer Medien einfordert. Namentlich nennt er drei ihm unliebsame Presseorgane, die Zeitungen „Der Standard“, „Falter“ und „Kurier“.

Christoph Pölzl – ehemals Polizei-Pressesprecher – schlägt den für die Information der Öffentlichkeit bezahlten Beamten vor, „die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Außerdem sollten die Zeitungen keine „Zuckerl“ in Form von exklusiven Zugängen bekommen. Der solle nur bei Aussicht auf „neutrale oder gar positive Berichterstattung“ gewährt werden.

Sprich: bei Hofberichterstattung, wie sie seit den Achtzigern nicht mal mehr auf Jahreshauptversammlungen von Dorf-Feuerwehren eingefordert wird.

Ausriss aus dem Brief aus dem Innenministerium, der auch in den sozialen Medien kursiert

Ausriss aus dem Brief aus dem Innenministerium, der auch in den sozialen Medien kursiert

Foto: Bild/ privat

Innenminister stellt sich hinter Zuckerl-Verbot

Gipfel des Eklats: Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) distanzierte sich nach Bekanntwerden des Briefes nicht etwa von seinem Sprecher, sondern legte per Mitteilung nach: „Was den besonders achtsamen Umgang mit den erwähnten Medien betrifft, so basieren die Erläuterungen auf teils jahrelangen Erfahrungen vieler Kommunikationsmitarbeiter im BMI“. Der „Verdacht der Voreingenommenheit“ sei demnach nicht aus der Luft gegriffen.

Kanzler Kurz: „Nicht akzeptabel“

Der Rüffel vom Chef kam umgehend: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierte am Rand der UN-Vollversammlung in New York: „Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel.“

„Zu schwach, Kritik auszuhalten“

Das Presse-Echo fiel verheerend aus, reichte von „stumpfsinnig“ (so die Zeitung „heute“) über„Frontalangriff auf die Medienfreiheit" („Standard“) und „Zensur“ („Falter“) bis „versuchte Manipulation der Öffentlichkeit“ („Kurier“).

„Unsere Demokratie darf nicht in Dunkelheit sterben, nur weil sich ein Minister zu schwach fühlt, Kritik auszuhalten und offenbar ungeeignet für dieses sensible Amt ist", heißt es im Kommentar des „Kuriers“ weiter.

Für besondere Empörung sorgt noch eine zweite Dienstanweisung aus dem vom strammrechten Kickl (von ihm stammt der Wahlwerbeslogan „Daham statt Islam“) geführten Innenministerium: Demnach sollte die Polizei verstärkt und „proaktiv“ über Sexualdelikte berichten, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (zum Beispiel Antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen oder wenn zwischen Täter und Opfer keine Verbindung besteht“.

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Kritiker werfen der FPÖ seit Jahren vor, Ängste gegenüber Ausländern zu schüren, um diese politisch zu nutzen.

Personelle Konsequenzen zur Vermeidung einer Regierungskrise schlossen Beobachter in Wien nicht aus. Zumal der Eklat auf Wunsch der liberalen Neos bereits am Mittwoch im österreichischen Parlament in einer dringlichen Anfrage behandelt wird.

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