WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Lockdown: Erste Ministerpräsidenten hadern mit Beschränkung des Bewegungsradius

Deutschland Neue Lockdown-Beschlüsse

Erste Ministerpräsidenten scheren aus – und hadern mit Beschränkung des Bewegungsradius

„Planen Einschränkung des Bewegungsradius aktuell nicht“

Baden-Württemberg könnte von den von Bund und Ländern vereinbarten Corona-Maßnahmen abweichen. Aktuell plane man nicht, den Bewegungsradius der Menschen einzuschränken, sagt Ministerpräsident Kretschmann.

Quelle: WELT

Autoplay
Die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Stephan Weil kündigen an, die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots nicht ohne Weiteres umzusetzen. „Am liebsten gar nicht“ solle die Regelung angewendet werden, sagt Weil.

Keine zwei Stunden war es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Bundesländer sich auf eine Verlängerung und Verschärfung des Corona-Lockdowns geeinigt hatten, als erste Ministerpräsidenten noch am Dienstagabend für ihre Länder andere Vorgehensweisen vorstellten. Insbesondere bei den neuen Sonderregeln für Hotspots deuten sich nach der vermeintlichen Einigung Streitpunkte an.

So will Niedersachsen die eigentlich beschlossene Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Hotspots nicht ohne Weiteres umsetzen. Nötig sei eine gesonderte Begründung zur Verhältnismäßigkeit, wie sie das Oberverwaltungsgericht bereits bei anderen Einschränkungen angemahnt hat, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstagabend in Hannover. „Das ist für uns Teil des Prüfprogramms, ob und wann die Regelung zur Anwendung kommt, am liebsten gar nicht.“

Sowohl bei der Einführung einer Sperrstunde als auch beim Böllerverbot habe das Gericht eine triftige Begründung verlangt, der bloße Verweis auf die Bund-Länder-Beschlüsse habe den Richtern nicht gereicht, erklärte Weil.

Auch Baden-Württemberg hält sich die Entscheidung über die Verschärfung einiger Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie noch offen. Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots sei zunächst nicht geplant, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Wir müssen erst mal zu belastbaren Werten nächste Woche kommen, um darüber zu entscheiden.“ Zuletzt lag die Zahl nur in zwei Kreisen im Südwesten knapp über 200, in zwei weiteren knapp darunter.

Sachsen-Anhalts Landesregierung wird erst in den kommenden Tagen entscheiden, ob und wie der Bewegungsradius im Land wegen der angespannten Corona-Lage auf 15 Kilometer um den Wohnort herum eingeschränkt wird. „Wie wir das praktisch gestalten, das müssen wir sehen“, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstagabend in Magdeburg. Das Kabinett werde prüfen, ob für derlei Beschränkungen neben der herrschenden Infektionslage am Herkunftsort auch jene am Zielort herangezogen werden könne. Ziel müsse es sein, alle vermeidbaren Aktivitäten auch tatsächlich auszuschließen.

Nach den neuen Beschlüssen kommt auf Menschen in Landkreisen mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen eine drastische Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern sollen die Länder lokale Maßnahmen ergreifen, um den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu begrenzen.

Kretschmann will zudem entgegen der Bund-Länder-Beschlüsse Grundschulen und Kitas in Baden-Württemberg vom 18. Januar an unter Umständen wieder öffnen. Die Öffnung sei das Ziel, wenn es mit Blick auf die Corona-Infektionszahlen vertretbar sei, sagte der Grünen-Politiker. Für die Schüler der weiterführenden Schulen werde es im Januar nur Fernunterricht geben.

Lesen Sie auch

In Mecklenburg-Vorpommern sollen Schüler aus Abschlussklassen nach Worten von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in der kommenden Woche wieder zur Schule gehen können. Dazu zählen die Klassen 10, 12 und Berufsschüler, wie Schwesig am Dienstagabend in Schwerin sagte.

Zudem stellte die Ministerpräsidentin die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts für Grundschüler vom 18. Januar an in Aussicht, die in Gebieten mit weniger als 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche leben. Dazu zählen demnach derzeit die Stadt Rostock und der Landkreis Rostock. Wie eine konkrete Umsetzung, etwa der Klassengrößen, aussehen könnte, war zunächst noch unklar.

Bewegungsradius von 15 Kilometern in Thüringen nur Empfehlung

Anzeige

Nach der Einigung von Bund und Ländern zu den Corona-Beschränkungen gibt es in Thüringen zunächst keine Verpflichtung für die Bürger, ihren Bewegungsradius auf 15 Kilometer um ihren Wohnort einzuschränken. Die Mobilitätsbeschränkung werde jedoch „in den Katalog der Empfehlungen für die Kreise aufgenommen“, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstagabend nach einer Kabinettssitzung in Erfurt. Sie könnte damit von den Landkreisen mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von mehr als 200 pro 100.000 Einwohner angeordnet werden.

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Ramelow hatte die 15-Kilometer-Regel nach sächsischem Vorbild bereits am Sonntag vorgeschlagen – auch als Reaktion auf einen Ansturm auf die Thüringer Wintersportorte. Minister der SPD und der Grünen hatten dagegen jedoch Bedenken angemeldet. Das Kabinett habe sich darauf verständigt, dass die Zufahrten zu den Thüringer Wintersportorten eingeschränkt oder unterbunden werden könnten, um große Ansammlungen von Tagestouristen zu verhindern, sagte Ramelow.

Thüringen hat derzeit nach Sachsen die höchsten Infektionswerte in Deutschland. Der Sieben-Tage-Wert pro 100.000 Einwohner lag am Dienstag bei 242.

Schulen und Kitas sollen weitgehend zu bleiben

Schulen und Kindertagesstätten sollen laut Bund-Länder-Beschluss bis mindestens Ende Januar weitestgehend geschlossen bleiben oder nur eingeschränkten Betrieb anbieten. Merkel und die Ministerpräsidenten verständigten sich darauf, die seit Mitte Dezember in den Bundesländern geltenden Lockdown-Regeln für die Einrichtungen bis Monatsende zu verlängern. Wie es im Februar weitergeht, darüber soll erneut am 25. Januar beraten werden.

Bund und Länder vereinbarten vor dem Hintergrund der Einschränkungen an Schulen und Kitas außerdem, in diesem Jahr die Zahl der Kinderkrankentage für Eltern zu verdoppeln.

Lesen Sie auch

„Der Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen hat höchste Bedeutung für die Bildung der Kinder und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern“, heißt es im gemeinsamen Beschlusspapier. Darin wird auch auf negative Folgen von Schließungen für Bildungsbiografien und soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen hingewiesen. Dennoch müssten die Maßnahmen entsprechend dem letzten Beschluss von Bund und Ländern vom 13. Dezember bis Ende Januar verlängert werden, heißt es weiter.

Damals hatten Merkel und die Länderchefs ausdrücklich eine Ausnahmeregelung für Abschlussklassen bei geschlossenen Schulen vereinbart. Theoretisch könnten somit Klassen, die vor Prüfungen stehen, weiterhin in die Schule gehen. Das konkrete Vorgehen an Schulen und Kitas regeln die Länder wie immer selbst, weil es in ihre eigene Zuständigkeit fällt. So wurden etwa auch Kitas im bisherigen Lockdown nicht überall geschlossen. Stattdessen wurden Eltern gebeten, ihre Kinder nicht zu bringen.

„Zweifel, ob der Bogen nicht überspannt wird“

Anzeige

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, kritisierte die Verschärfung des Corona-Lockdown. „Ich habe meine Zweifel, ob mit Bewegungseinschränkungen und Kontaktverboten zu mehr als einer Person außerhalb des eigenen Haushalts nicht der Bogen überspannt wird“, sagte Sager den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Wir bringen damit jedenfalls große Teile der Bevölkerung in Schwierigkeiten, auf deren Mitmachen wir angewiesen sind“, gab der CDU-Politiker und Landrat des Landkreises Ostholstein zu bedenken. Vor allem in den ländlichen Räumen wirkten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit besonders stark. Auch die fortdauernde Schließung von Schulen stufte Sager als „sehr weitgehend“ ein.

Eingeschränkter Bewegungsradius? „Am liebsten gar nicht“

Niedersachsen will die Bewegungsfreiheit in Hotspots nicht ohne Weiteres umsetzen. „Das ist für uns Teil des Prüfprogramms, ob und wann die Regelung zur Anwendung kommt, am liebsten gar nicht“, sagt Ministerpräsident Stephan Weil.

Quelle: WELT

dpa/cwu/mak

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema

Themen